Oma erzähltGeschichten von früherAls wir Pfennige sammelten – und uns reich fühlten

Als wir Pfennige sammelten – und uns reich fühlten

Eine Kindheit zwischen Münzen, Marmeladengläsern und großen Träumen

Weißt Du noch, wie das war, als man mit zehn Pfennig die Welt erobern konnte? Als wir mit leuchtenden Augen am Kiosk standen, den Cent noch lange nicht kannten – und jeder Pfennig in unserer Hosentasche ein kleines Versprechen war: auf Kaugummi, Bonbons oder das nächste große Glück? Ich möchte Dich mitnehmen auf eine Reise zurück in diese Zeit. Eine Zeit, in der wir Pfennige sammelten – und uns dabei so unglaublich reich fühlten.

Der Klang des Reichtums

Pfennige hatten einen ganz eigenen Klang. Wenn man sie in der Hand klimpern ließ oder sie in ein leeres Marmeladenglas warf, klang das wie Musik. Kein metallisches Klirren, wie bei großen Münzen – sondern ein feines, leichtes Klimpern. Ich liebte dieses Geräusch. Es war das Geräusch von Vorfreude, von kleinen Träumen, die greifbar waren.

 

Bei uns zuhause gab es ein großes Honigglas auf der Anrichte in der Küche. Dort kamen alle Pfennige rein, die „übrig“ waren. Manchmal fand ich einen unter dem Sofa oder in der Sofaritze. Oder Opa drückte mir einen in die Hand mit einem Augenzwinkern und sagte: „Für den Notgroschen.“ Ich nahm die Münze feierlich entgegen und steckte sie zu den anderen – mit dem Gefühl, dass ich gerade ein kleines Vermögen hüte.

Was man sich leisten konnte

Heute kaum vorstellbar, aber mit zehn oder zwanzig Pfennig ließ sich früher eine ganze Menge anfangen. Beim Kiosk um die Ecke gab’s für fünf Pfennig ein Bonbon – saure Apfelringe, Himbeerbonbons, Lutschstäbe. Ein Tütchen Brausepulver kostete zehn Pfennig. Man konnte sich richtig durchprobieren. Und wenn man dreißig oder sogar fünfzig Pfennig zusammenhatte, war man König oder Königin des Tages. Da wurde nicht einfach alles auf einmal verprasst – man überlegte, tastete sich vor, genoss jeden Kauf in Zeitlupe.

Es war nicht der materielle Wert, der zählte. Es war das Gefühl, mit dem eigenen Geld etwas zu kaufen. Etwas, das man sich zusammengesammelt, vielleicht sogar zusammengespart hatte. Dieser Stolz – der war mit keinem Euro der Welt zu ersetzen.

Pfennige suchen war ein Abenteuer

Wir haben sie gesucht wie Goldgräber: unter dem Sofa, im Garten, zwischen Pflastersteinen. Manchmal durchstöberten wir alte Schubladen, in der Hoffnung, dass irgendwo noch eine einzelne Münze lag. Es war ein kleines Abenteuer. Und wenn wir einen fanden – oh, was für eine Freude! Die Fundstelle wurde gefeiert, als hätte man einen Schatz gehoben.

Besonders aufregend war der Moment, wenn die Großeltern zu Besuch kamen. Oma hatte oft eine kleine Geldbörse dabei, aus dunklem Leder, mit einem Druckknopf. Wenn man brav war – oder auch einfach nur süß guckte –, bekam man ein paar Pfennige in die Hand gedrückt. Und dann hieß es: „Aber spar schön, gell?“ Und wir nickten eifrig – auch wenn wir innerlich schon beim Kiosk standen.

Die große Bedeutung der kleinen Dinge

In einer Zeit, in der es noch keine Kreditkarten gab und Taschengeld eher eine Ausnahme als eine Regel war, hatten Pfennige einen hohen Stellenwert. Sie waren unsere erste Begegnung mit dem Thema Geld. Wir lernten, dass es nicht nur ums Haben ging – sondern ums Wählen, Warten, Verzichten können.

Manchmal hatte ich zehn Pfennig in der Tasche und war mit meiner Freundin unterwegs. Sie hatte nichts dabei – und ich teilte. Zwei Bonbons für uns beide. Das war selbstverständlich. Und es fühlte sich gut an. Heute würde man sagen: „Solidarität“. Damals war es einfach Herz.

Pfennige als Belohnung

Bei uns gab es keine großen Belohnungssysteme. Aber manchmal, wenn ich im Haushalt geholfen hatte oder besonders gut in der Schule war, steckte mir mein Vater eine kleine Münze zu. „Nicht viel, aber von Herzen“, sagte er. Und das war es auch. Ich fühlte mich gesehen, gewürdigt.

Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem ich die Fenster im Wohnzimmer geputzt hatte – ohne dass jemand es verlangt hätte. Ich war zehn oder elf. Mein Vater kam heim, sah das glänzende Glas und sagte nur: „Du bist ein Schatz.“ Und dann holte er aus seiner Manteltasche fünfzig Pfennig. Für mich war das der Himmel auf Erden.

Die Magie der Spardose

Oh, die Spardose! Was für ein heiliger Ort. Meine war aus Blech, mit bunten Farben und einem kleinen Schloss. Ich hatte sie von meiner Tante bekommen, zum Geburtstag. Wenn ich eine neue Münze hineingleiten ließ, lauschte ich dem Klang, wie sie auf die anderen traf. Es war ein feierlicher Moment.

Hin und wieder schüttelte ich sie, um zu hören, wie viel „drin“ war. Und an ganz besonderen Tagen – Weihnachten, Geburtstag – durfte ich sie öffnen. Dann zählte ich langsam, mit großer Sorgfalt, jede einzelne Münze. Und manchmal weinte ich fast vor Glück, weil es sich so viel anfühlte. Auch wenn es vielleicht nur drei, vier Mark waren – in Kinderhänden war das ein kleines Vermögen.

Der erste Kauf vom eigenen Geld

Ich weiß noch ganz genau, was ich mir als Erstes von selbst gesammelten Pfennigen kaufte: einen kleinen Plastikring mit einem roten Stein. Ich war vielleicht acht. Es war in einem Spielwarenladen, in einer Drehscheibe, die man drehen konnte. Der Ring kostete eine Mark – also hundert Pfennig. Ich hatte Wochen gebraucht, um das Geld zusammenzubekommen. Und dann hielt ich ihn in der Hand – funkelnd, kitschig, wunderschön.

Ich trug ihn tagelang, zeigte ihn jedem, schlief sogar mit ihm. Nicht, weil er so wertvoll war – sondern weil ich ihn mir selbst gekauft hatte. Es war mein erster Schritt in Richtung Selbstständigkeit. Und ein Gefühl, das ich nie vergessen werde.

Als der Pfennig verschwand

2002 war er auf einmal weg. Der Euro kam – und mit ihm die Cent-Münzen. Auf einmal war alles anders. Die Preise stiegen gefühlt über Nacht, und die kleine Welt der Pfennige war Geschichte. Natürlich haben wir uns an das neue Geld gewöhnt. Aber ein bisschen Wehmut blieb.

Ich erinnere mich, wie ich die letzten Pfennige aus meinem Sparglas nahm, sie betrachtete – und wusste, dass sie nun „nichts mehr wert“ waren. Und doch konnte ich sie nicht wegwerfen. Ich bewahre sie bis heute auf. In einer alten Blechdose. Nicht wegen des materiellen Wertes – sondern wegen der Erinnerungen, die daran hängen.

Warum wir uns so reich fühlten

Wir hatten wenig – aber wir fühlten uns reich. Reich an Möglichkeiten, an Fantasie, an kleinen Freuden. Jeder Pfennig war eine Gelegenheit, etwas Schönes zu erleben. Ein Bonbon zu teilen. Einen Wunsch zu erfüllen. Etwas zu lernen.

Vielleicht lag es daran, dass wir wussten, wie viel Mühe hinter jedem einzelnen Pfennig steckte. Dass er nicht einfach „da war“, sondern gefunden, verdient, geschenkt worden war. Wir schätzten ihn – und das machte ihn kostbar.

Was wir unseren Enkeln mitgeben können

Unsere Enkelkinder wachsen in einer anderen Welt auf. Eine Welt, in der Geld meist digital ist, in der man mit Karte zahlt oder mit dem Smartphone. Eine Welt, in der es keine Pfennige mehr gibt – aber viele neue Möglichkeiten.

Und doch können wir ihnen etwas mitgeben. Nicht die Münzen selbst, sondern das Gefühl, das wir damals hatten:

  • Wertschätzung – für das, was man hat, und für das, was man bekommt.
  • Geduld – weil es manchmal Zeit braucht, bis man sich etwas leisten kann.
  • Freude an kleinen Dingen – weil Glück nicht teuer sein muss.

Vielleicht erzählst Du beim nächsten Besuch einfach mal, wie das damals war mit dem Pfennigsammeln. Zeig ihnen die alten Münzen, erzähle von Deinem ersten eigenen Kauf. Und wer weiß – vielleicht kramt ihr dann gemeinsam in einer alten Keksdose und findet den einen, kleinen Pfennig, der so viele Erinnerungen trägt.

Fazit: Kleine Münzen, große Gefühle

Der Pfennig mag verschwunden sein – aber das Gefühl, das er in uns auslöste, bleibt. Es war ein Gefühl von Stolz, von Selbstständigkeit, von kindlicher Freude. Und es erinnert uns daran, dass es nicht auf die Größe des Geldes ankommt – sondern auf das Herz, das daran hängt.

 

Vielleicht war es gerade dieses „weniger“, das uns so viel gegeben hat. Denn wer mit wenig auskommt, lernt, das Leben zu schätzen – in all seinen kleinen, glänzenden Momenten.

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