Pflegst du einen geliebten Menschen und fühlst dich manchmal wie in einem Hamsterrad? Immer für andere da, nie richtig Zeit zum Durchatmen, geschweige denn zum Erholen? Dann bist du nicht allein. Viele pflegende Angehörige stemmen ihren Alltag still und oft über ihre Kräfte hinaus – und dabei steht ihnen mehr Unterstützung zu, als sie denken. In diesem Artikel zeige ich dir, welche Entlastungsangebote dir wirklich zustehen, wie du sie bekommst und warum du ein gutes Gewissen haben darfst, wenn du sie auch nutzt.
Warum Entlastung kein Luxus ist – sondern dein gutes Recht
Pflege kostet Kraft. Tag für Tag, oft ohne Pause. Wer einen Angehörigen pflegt, übernimmt Verantwortung – körperlich, emotional, organisatorisch. Was viele nicht wissen: Das deutsche Pflegesystem bietet konkrete Hilfen an, die genau dich entlasten sollen. Es geht nicht darum, deine Aufgabe abzugeben, sondern sie besser zu bewältigen. Entlastung heißt nicht, weniger zu lieben – sondern klüger zu handeln.
Wichtig ist: Du musst diese Angebote aktiv einfordern. Niemand bringt sie dir auf dem Silbertablett. Aber wenn du weißt, was dir zusteht, kannst du gezielt danach fragen – und dein Pflegealltag wird spürbar leichter.
1. Der Entlastungsbetrag – oft verschenkt, weil er unbekannt ist
Ein echter Klassiker unter den übersehenen Hilfen: der Entlastungsbetrag. Dieser steht allen Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 1 zu – und damit auch dir als pflegender Angehöriger. Jeden Monat sind das 125 Euro, die zweckgebunden für Unterstützungsleistungen verwendet werden können, zum Beispiel:
- Haushaltshilfen
- Einkaufshilfen
- Alltagsbegleiter
- Betreuungsangebote
Aber: Das Geld wird nicht automatisch ausgezahlt. Du musst es beantragen und nachweisen, wofür du es verwendet hast. Viele lassen diesen Betrag verfallen, weil sie nicht wissen, dass er ihnen zusteht – oder weil die bürokratischen Hürden zu abschreckend wirken.
Tipp: Informiere dich bei deiner Pflegekasse, welche Anbieter in deiner Region anerkannt sind. Manchmal gibt es auch regionale Angebote, die dir direkt bei der Beantragung helfen.
2. Verhinderungspflege – dein Recht auf Auszeit
Du wirst krank, brauchst selbst eine Auszeit oder möchtest einfach mal ein Wochenende durchschnaufen? Dann hast du Anspruch auf die sogenannte Verhinderungspflege.
Ab Pflegegrad 2 kannst du bis zu 1.612 Euro pro Jahr beantragen, wenn du selbst verhindert bist. Dabei spielt es keine Rolle, ob du krank bist oder einfach mal Urlaub brauchst. Die Pflege übernimmt dann z. B. ein ambulanter Dienst oder eine andere Vertrauensperson.
Zusätzlich kannst du bis zu 806 Euro aus der Kurzzeitpflege übertragen und kommst so auf maximal 2.418 Euro im Jahr – steuerfrei.
Wichtig zu wissen:
- Voraussetzung: Du pflegst die Person mindestens sechs Monate.
- Die Pflegeperson muss nicht professionell sein – auch Freunde oder Nachbarn können einspringen.
- Du kannst das Geld auch stundenweise nutzen, z. B. für regelmäßige kleine Auszeiten.
3. Kurzzeitpflege – wenn es vorübergehend intensiver wird
Manchmal ist die Pflege zu Hause nicht mehr möglich – etwa nach einem Krankenhausaufenthalt oder bei einer vorübergehenden Krisensituation. Dann kann die Kurzzeitpflege helfen: Der Pflegebedürftige wird zeitlich befristet in einer stationären Einrichtung versorgt.
Dafür stehen dir bis zu 1.774 Euro pro Jahr zu. Wichtig: Diese Leistung kannst du zusätzlich zur Verhinderungspflege nutzen. Und auch hier kannst du nicht ausgeschöpfte Verhinderungspflege-Leistungen anteilig übertragen.
Gut zu wissen:
- Es können auch mehrere Kurzzeitpflegeaufenthalte im Jahr genutzt werden.
- Die Einrichtung muss zugelassen und von der Pflegekasse anerkannt sein.
- Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung müssen meistens selbst getragen werden – manche Pflegekassen beteiligen sich aber auch daran.
4. Tages- und Nachtpflege – Hilfe tagsüber oder über Nacht
Wenn du berufstätig bist oder einfach mal tagsüber ein wenig durchatmen möchtest, ist die Tagespflege eine gute Möglichkeit. Dein Angehöriger wird tagsüber professionell betreut, isst dort mit anderen, macht Aktivitäten mit – und du hast Zeit für dich.
Ähnliches gilt für die Nachtpflege, wenn dein Angehöriger z. B. nachts unruhig ist und du selbst dringend Schlaf brauchst.
Die Pflegekasse übernimmt diese Leistungen ab Pflegegrad 2 zusätzlich zum Pflegegeld oder zur Pflegesachleistung.
5. Pflegehilfsmittel zum Verbrauch – Monat für Monat
Hygienehandschuhe, Desinfektionsmittel, Bettschutzeinlagen – all das kostet auf Dauer Geld. Doch wusstest du, dass du dafür monatlich bis zu 40 Euro von der Pflegekasse bekommst?
Diese Pflegehilfsmittel zum Verbrauch kannst du ganz unkompliziert über Sanitätshäuser oder Online-Anbieter beziehen, die direkt mit der Pflegekasse abrechnen.
Du musst nur ein einfaches Formular bei der Pflegekasse einreichen – und bekommst dann jeden Monat das passende Paket geliefert.
Tipp: Einige Anbieter übernehmen auch die Bürokratie für dich – du musst nur unterschreiben.
6. Wohnraumanpassung – damit Pflege zu Hause möglich bleibt
Manchmal sind es bauliche Veränderungen, die das Leben leichter machen: ein Haltegriff im Bad, ein Treppenlift, eine barrierefreie Dusche. Die Pflegekasse beteiligt sich mit bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme an solchen Anpassungen – und das sogar pro pflegebedürftiger Person.
Wenn mehrere Pflegebedürftige in einem Haushalt leben (z. B. Ehepaar), kann sich die Förderung auf bis zu 16.000 Euro erhöhen.
Wichtig: Vor Beginn der Umbaumaßnahmen musst du einen Antrag stellen. Lass dich dabei am besten durch einen Pflegestützpunkt oder Wohnberater unterstützen.
7. Pflegekurse – für mehr Sicherheit und Austausch
Pflege ist lernbar – und es hilft, wenn man weiß, wie man rückenschonend hebt, richtig lagert oder mit schwierigen Situationen umgeht. Die Pflegekassen bieten kostenlose Pflegekurse für Angehörige an – entweder vor Ort oder online.
In diesen Kursen lernst du nicht nur Handgriffe, sondern bekommst auch psychologische Unterstützung und kannst dich mit anderen austauschen. Das stärkt – und tut gut.
Tipp: Auch wer schon lange pflegt, kann von einem Kurs profitieren. Es gibt immer Neues zu entdecken – und es ist nie zu spät, sich Hilfe zu holen.
8. Beratungsbesuche – mehr als nur Pflicht
Wenn du Pflegegeld erhältst, bist du verpflichtet, regelmäßig einen Beratungsbesuch durch einen ambulanten Dienst durchführen zu lassen. Viele sehen das als lästige Pflicht – dabei kann genau dieser Besuch dir auch Chancen eröffnen.
Die Pflegefachkraft schaut, ob die Pflege noch gut funktioniert, gibt Tipps, informiert über neue Hilfen. Und sie kann dokumentieren, dass du eine gute Arbeit leistest – das ist auch wichtig für spätere Ansprüche.
Pflichtbesuche im Überblick:
- Pflegegrad 2 und 3: alle 6 Monate
- Pflegegrad 4 und 5: alle 3 Monate
Wenn du keine Beratung machen lässt, kann das Pflegegeld gekürzt oder gestrichen werden – also lieber gleich aktiv nutzen!
9. Pflegezeit und Familienpflegezeit – rechtliche Absicherung im Beruf
Viele Angehörige jonglieren zwischen Beruf und Pflege – und brennen irgendwann aus. Doch es gibt gesetzliche Regelungen, die dir eine Auszeit vom Job ermöglichen:
- Pflegezeit: Bis zu 6 Monate vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit (für Betriebe ab 15 Mitarbeiter).
- Familienpflegezeit: Bis zu 24 Monate Reduzierung der Arbeitszeit auf mindestens 15 Stunden pro Woche (für Betriebe ab 25 Mitarbeiter).
Beide Modelle können durch ein zinsloses Darlehen vom Staat finanziell abgefedert werden. Sprich mit deinem Arbeitgeber – und informiere dich beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben.
10. Regionale Angebote – oft ungenutzt
Neben den bundesweiten Regelungen gibt es oft auch regionale Entlastungsangebote: Besuchsdienste, Nachbarschaftshilfen, Ehrenamtsnetzwerke, kommunale Pflegeberater. Diese sind manchmal sogar kostenfrei oder gegen kleine Pauschalen nutzbar.
Frag bei deiner Stadt, deinem Landkreis oder deiner Kirche nach – dort gibt es oft eigene Broschüren mit Angeboten vor Ort. Auch Apotheken, Pflegestützpunkte oder Seniorenbüros kennen sich meist gut aus.
Fazit: Du darfst – und solltest – Entlastung annehmen
Pflege ist wertvoll. Und sie darf dich nicht kaputt machen. All die Hilfen, die es gibt, stehen dir nicht aus Mitleid zu – sondern weil deine Aufgabe anerkannt ist. Nutze sie. Hol dir Unterstützung. Sag Ja zu Hilfe – und Nein zum Dauerstress.
Denn du bist nicht nur Pflegende – du bist auch Mensch. Und dieser Mensch verdient Kraft, Zeit und Fürsorge.